Thursday 8 July 2010

Fragwuerdige Friedensmission (Report Mainz im ARD)

Auf meiner Facebook-Seite kam es zu einer heftigen Diskussion mit mehreren Teilnehmern (u.a. auch Ahmet Senyurt, der die Sendung ueber die Flotilla im Report Mainz im ARD mitgestaltet hat), ueber den EU-Beitritt der Tuerkei und die Flotilla Mission der FreeGaza-Bewegung.

Ahmet Senyurt scheint es gestoert zu haben, dass deutsche Bundestagsabgeordnete mit an Bord waren, weil sich unter den ca. 700 Passagieren aus 36 Laendern verschiedenster Religionen auch einige Aktivisten befanden (wieviele genau sagt er in seinem Bericht nicht), die seiner Meinung nach nationalistisch-islamistische Tendenzen ausweisen und keine Friedensaktivisten waren.

In der Einleitung zu der Sendung Fragwuerdige Friedensmission heisst es:
Da tauchen auf einmal Bundestagsabgeordnete von der Linken auf einem Schiff auf, das Kurs genommen hatte auf Gaza. Hilfsgüter wolle man in den von Israel abgeriegelten Gaza-Streifen bringen. Ein Auslandseinsatz, mit dem die Linke mal keine Probleme hat.
Doch wer steckt hinter diesem Projekt, das sich mit prominenten Mitreisenden wie dem schwedischen Schriftsteller Henning Mankell schmücken konnte? Und waren die Mitreisenden wirklich alle in friedlicher Mission unterwegs? Eric Beres und Ahmet Senyurt sind diesen Fragen nachgegangen.
Man stelle sich folgende Situation vor: Man will auf eine Demo gegen die Atomkraft gehen. Auf dieser grundsaetzlich friedlichen Demo sind tausende Demonstranten aller politischen Richtungen beteiligt. Es nehmen rechte, linke, gruene, schwarze Menschen daran teil, weil sie in der Sache uebereinstimmen: Und zwar, dass die Atomkraft schaedlich ist und die Atomanlagen in Deutschland abgeschaltet werden muessen. D.h. jedoch nicht, dass die Teilnehmer auch in den anderen politischen Fragen, wie z.B. Einwanderung einer Meinung sein muessen. Auch beteiligen sich an solchen Demos gewalttaetige autonome Gruppen, die Ausschreitungen mit der Polizei provozieren. Aber was aendert es an der Sache, um die es geht, naemlich die Abschaltung der Atomkraftwerke? Gar nichts. Sind alle Teilnehmer bewusst eine Koalition eingegangen, wie z.B. dass der deutsche Staat eine Anarchie werden sollte, wie es vielleicht einige beteiligte Autonome fordern? Nein! Sie stimmen nur in der Sache - gegen die Atomkraft - uberein. Nicht mehr, nicht weniger.

Ahmet Senyurt's Reportage scheint zu suggerieren, dass die 700 Teilnehmer der Flotilla mehr im Sinn hatten, als nur die gemeinsame Sache, naemlich Hilfsgueter nach Gaza zu bringen und auf die illegale Blockade der Israeli's aufmerksam zu machen. Er versucht den deutschen Partizipanten der Flotilla zu unterstellen, dass sie bewusst eine Koalition mit den wenigen nationalistisch-islamistischen Teilnehmern der Flotilla eingegangen sind. Das bezweifele ich sehr stark, und Norman Paech, einer der Passagiere,  sagt es in der Sendung auch deutlich. Wie stellt sich Herr Senyurt es praktisch vor, bevor man zu einer Demo geht? Dass man die Lebenslaeufe und polizeilichen Fuehrungszeugnisse saemtlicher Teilnehmer ueberprueft? Sollte man wegbleiben und nichts gegen die Ungerechtigkeit tun, weil man mit einigen Teilnehmern in dieser Sache uebereinstimmt, aber sonst keine Gemeinsamkeiten hat?

Was Herr Senyurt mit dieser Reportage bezweckt hat, ist - milde gesagt - fahrlaessig. Er versucht die gewalttaetige, gegen internationales Recht verstossende Aktion Israel's gegenueber dem Schiff des Partner-Landes Tuerkei, bei der 9 Menschen ums Leben kamen, zu relativieren. Es waren islamistische, gewalttaetige Menschen an Bord, die Waffen nach Gaza bringen wollten, die auch die israelischen Soldaten angegriffen haben. Was sind das bloss fuer Friedensaktivisten? So in etwa kommt es herueber, wenn man sich die Sendung anschaut, und sich auch die Diskussion mit Herrn Senyurt auf meiner Facebook-Seite durchliest. Es sagt schon sehr viel ueber Herrn Senyurt und seine Einstellung zu diesem Thema aus, dass er mit keinem Wort die Aggression der sog. Elitesoldaten erwaehnt, die 9 Menschen teilweise regelrecht hingerichtet haben. Im Gegenteil: Man bekommt sogar das Gefuehl, dass sie es verdient haetten. Sie waren die Aggressoren. Auch verliert er kein Wort uber die Rechtmaessigkeit der Gaza-Blockade, die israelische Besatzung, das Freiluftgefaengnis Gaza und die alltaeglichen Menschenrechtsverletzungen, die auch im Goldstone-Report Erwaehnung fanden.

Auch das Institut fuer Medienverantwortung (IMV) von Sabine Schiffer hat sich mit der Sendung von Ahmet Senyurt beschaeftigt. Sie schreibt am 13. Juni auf ihrer Facebook-Seite :
Unsere Anfrage an Report Mainz wegen dieser Sendung: 
http://www.swr.de/report/-/id=233454/did=6481392/pv=video/nid=233454/qsb6iy/index.html
(...) im Folgenden nur stichpunktartig festhalten, was aufgefallen ist und würde Sie bitten, im gegebenen Falle fehlende Informationen zukommen zu lassen. 
1. Immer noch werden "verwechselte" Quellen gebracht, von denen sich sogar die israelischen Urheber inzwischen distanziert haben (z.B. 
http://edition.cnn.com/2010/WORLD/meast/06/06/gaza.flotilla.recordings/index.html).
2.Es gibt keine Einordnung, ob die befragten Türken Kemalisten sind oder nicht...(das ist aber absolut entscheidend - zumal es nur einen einzigen "Kronzeugen" gibt, denn Michael Kiefer äußert sich ja nur zum Thema "Nationalismus"!)
3. Man könnte fast zynisch sagen: "zum Glück" war der BBP-Mann an Bord - das reicht anscheinend für die Macher des Stücks - und heißt für mich: ich kann zu keiner Demo mehr gehen, weil man nie weiß, wer da kommt oder auch, was genau gesagt wird... 
4. Gehört die IHH jetzt irgendwie zur BBP oder umgekehrt oder nicht? Das habe ich nicht verstanden und an einer Klärung dieses Sachverhalts wäre ich weiter interessiert!!! 
5.Über Ahmed Senyurt braucht man nicht viel zu sagen, nachdem sich die ARD selbst schon davon distanziert hatte, dass er für sie arbeitete - am eindrücklichsten aber das Radiostück "Ein Käfig voller Enten" von Walter van Rossum auf die regierungskonforme Verarbeitung des wenigen, das man über die Sauerlandattentäter weiß... 
Alles in allem, wirft die Sendung mehr Fragen auf, als sie beantwortet, was ja nicht immer schlecht sein muss - aber das sinn-induktive Suggestionspotential der nicht eindeutig geklärten Verhältnissezwischen den genannten Akteuren und Gruppen, wirft kein gutes Licht auf den hier vorliegenden Journalismus.
Einen sehr treffenden Kommentar zu der Sendung hat auch Muka auf meiner Facebook-Seite geschrieben, den ich hier veroeffentlichen moechte:
Ich habe mir die Sendung mehrmals angesehen, da wird die Meinung eines Journalisten der alten Nomenklatura Mete Cubukcu, die sich in die Zeiten des guten alten korrupten Regimes zurücksehnen, in dem das Militär dafür sorgte, das es so blieb. Die Reform der Verfassung und damit die weitere Demokratisierung, dazu gehört eben auch die Entmachtung des Militärs und die Stärkung der Minderheitenrechte, wird ebenso von diesen "Demokraten" verhindert, indem sie gerne das immer wieder funktionierende Beschuldigung des Islamismus ins Feld führen, jetzt ist sogar Erdogan ein Islamist.Schließlich machen es die Amerikaner, Russen und Israelis genauso, alle Opfer ihrer Morde sind Islamisten bzw. Terroristen, dafür braucht man doch keine Beweise, ihre Anschuldigung muss genügen.
Die Aktivisten wären teilweise nicht mit friedlicher Absicht an Bord der Schiffe gekommen, interessant ist nur, dass sie nicht versucht haben im Morgengrauen israelische Schiffe mit scharfer Munition anzugreifen und das in internationalen Gewässern. Noch eins. diese Terroristen haben es nicht hinbekommen einen einzigen israelischen Elitesoldaten zu ermorden, obwohl sie drei als Geisel hatten ?
Alle Opfer hatten schwerste Knochenbrüche und sind aus nächster Nähe angegriffen worden, auf einem Video sieht man, wie Israelis einen am Boden liegenden Menschen erst zusammentreten, danach wird er mit mehreren Schüssen exekutiert, hat er aber verdient, war ja ein Terrorist. Israel selbst hatte die Passagierliste ,wie alle Anderen, Wochen und Monate vorher offen zugänglich, seltsamerweise wurde erst zwölf Tage nach der Ermordung der Aktivisten die IHH auf die Terrorliste gesetzt, klar, die Opfer waren Terroristen. Die belastbaren Quellen sind die Amerikaner und Israelis, klasse. Aber gut, das Mitglieder der BBP dabei waren, die wild um sich geschossen , Waffen an Bord gebracht und Menschen getötet haben, upps, das waren ja die Israelis..Nicht nur die Türkei ist weiterhin reformbedürftig, sondern auch der Journalismus, Verschwörungstheorien als Ersatz für Fakten hat sich leider immer mehr verbreitet..Und wieviele Nebelkerzen, Lügen und Propaganda sind tolerierbar, bis Jemand in die Gemeinschaft der ernstzunehmenden Journalisten aufgenommen werden kann? Diese Reform dauert bestimmt mindestens zehn-zwanzig Jahre..
In der Diskussionsrunde stellt Ahmet Senyurt dann an alle die folgende Frage, obwohl er unsere Fragen permanent ignoriert:
[...]Übrigens, meine Frage lautete immer noch: Wie friedlich sind Friedensaktivisten die Gewaltanwendung für ein probates Mittel halten? 
Bevor Herr Senyurt Fragen stellt, waere es gut, einige offene Fragen zu beantworten, die mehrfach an ihm gestellt wurden. Es ist schon relativ unfassbar, wieviel Naivititaet in dieser Fragestellung steckt. Auch 'Friedensaktivisten' duerfen sich verteidigen. Was war Nelson Mandela? Ein Terrorist, oder Friedensaktivist? Was mussten die Allierten tun, um Europa von der Nazis zu befreien? Blumen auf die Normandie streuen?

Fakt ist, dass Herr Senyurt saemtlichen 700 Menschen auf der Flotilla unterstellt, sie waeren gewalttaetig (Die genaue Zahl der Extemisten bleibt er uns immer noch schuldig). Und seit wann darf sich ein Schiff, dass in internationalen Gewaessern gekapert wurde, nicht wehren? Wie friedlich die Aktivisten waren hat man auch daran gesehen, dass sie 3 gefangene israelische Soldaten gepflegt, und an die Israeli's zurueckgegeben haben, obwohl sie die Mittel hatten (Die Waffen wurden ihnen abgenommen), sie 'hinzurichten', wie es die Elitesoldaten aus der Naehe, teilweise mit mehreren Kopfschuessen gemacht haben.

Hier ist wieder Muka's souveraene Antwort auf die obige naive Frage von Ahmet Senyurt. Ich hab dem nichts mehr hinzuzufuegen:
Nur eine kurze Frage in dem Zusammenhang, waren die Soldaten im Morgengrauen in einer Friedensmission unterwegs ? 
Waren sie deshalb so überrascht als sie das friedliche Feuerwerk an Blendgranaten, Tränengas, Plastikmunition abgeschossen haben, dass die Aktivisten ihnen nicht auch noch an Bord geholfen haben ? Konnten sie vor lauter Rauchschwaden die weißen Fahnen nicht sehen, die die Aktivisten in den Händen hatten? Mussten sie deshalb mit mehreren Schüssen auf am Boden liegende, von ihnen verletzte Zivilisten sicher gehen, dass ihre Friedensmission erfolgreich ist ?
Sie haben sich doch nur gewehrt, aber wogegen eigentlich, ist ihr Boot, ihr Helikopter gekapert , sind sie zusammengeschlagen und erschossen worden ?
Im Übrigen, die gleichen Quellen, die jetzt die IHH in die Terroristenecke stellen wollen, haben Nelson Mandela erst Juni 2008 !!! aus ihr entfernt.
Upps hatte Israel nicht vorher einen regen Kontakt, bis hin zu Atomwaffen, zu der "einzigen Demokratie im Süden Afrikas", als Nelson Mandela im Gefängnis sitzen musste ?
Da war doch noch irgendwas mit Apartheid und Rassismus, oder war das in Israel ?
Ich empfehle allen, die gesamte Diskussion auf meiner Facebook-Seite nachzulesen, um sich vom 'Qualitaetsjournalismus' Ahmet Senyurt's zu ueberzeugen. Es ist schon erschreckend mitanzusehen, wen man mit seinen GEZ-Gebuehren mitfinanziert.  ;)

Im Flotilla Campaign Summary Report der IHH (in englisch) gibt es auch mehr Infos zu dieser Thematik.
Danke an Dagmar fuer den IMV-Hinweis und an Muka fuer ihre Beitraege 



Nachtrag: 
Interessant ist, dass der Hetzer Udo Ulfkotte den Ahmet Senyurt anscheinend mag. In einem seiner Buecher erwaehnt Ulfkotte Ahmed Senyurt in der Danksagung (Seite 288) http://www.rebellogblog.com/text/blog/dateien/krieg.pdf

Auch in der rechtslastigen Junge Freiheit erwaehnt Ulfkotte den Ahmet Senyurt. http://www.jf-archiv.de/archiv04/494yy09.htm

Ich seh jetzt alles in einem anderen Licht. Ahmet Senyurt's Report-Mainz Beitrag klingt ziemlich heuchlerisch. Er verdaechtigt die deutschen Abgeordneten, dass sie mit nationalistisch-islamistischen Passagieren an Bord der Flotilla zusammenarbeiten, und er selber findet seinen Platz in der Danksagung des Hetzers Ulfkotte, der die rechte Buergerbewegung Pax Europa (BPE) gegruendet hat, die auch PI-News nahesteht.

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