Die Politik hat ausländischen Akademikern die Zuwanderung erleichtert. Doch die ablehnende Haltung gegenüber Migranten bleibt - zum Nachteil Deutschlands.
Seitdem Otto Schily vor zehn Jahren die Süssmuth-Kommission einsetzte, hat sich die Stimmung in Deutschland mit Blick auf die Zuwanderung Hochqualifizierter spürbar gewandelt: Auch unter konservativ geneigten Geistern ist kaum mehr umstritten, dass der (dauerhafte) Zuzug qualifizierter Akademiker aus dem Ausland für die Zukunft unseres Landes wichtig ist. Die Zeiten, in denen Politiker mit Slogans wie "Kinder statt Inder" erfolgreich Stimmung in Wahlkämpfen machen konnten, sind, so möchte man meinen, heute überwunden.
Und doch hinken manche Debatten den Realitäten im Land um Jahre hinterher: So führte der Sozialwissenschaftler Gunnar Heinsohn den Lesern der "FAZ" kürzlich bewundernd vor Augen, dass Kanada die Einführung einer Green Card für jeden Ausländer plane, der dort sein Studium abschließt, und erklärte, Deutschland müsse "das Angebot erhöhen", wenn es im weltweiten Kampf um Talente mithalten wolle.
[...]
In Deutschland dagegen hat man Akademikern, die in den letzten 20 Jahren vornehmlich aus Osteuropa zu uns kamen, zu oft und zu lange den Zugang zu adäquaten Stellen verweigert, ihre Ausbildungen nicht anerkannt und zu wenig Brücken über Nachqualifizierungsangebote gebaut. Letzteres zu ändern, hat sich erst kürzlich die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer auf die Fahnen geschrieben.
Auch an den Hochschulen selbst gibt es Probleme mit der Integration: 39 Prozent der ausländischen Studierenden klagen über mangelnden Kontakt zu deutschen Kommilitonen, 34 Prozent finden schwer Bekannte in der Bevölkerung außerhalb der Hochschulen. Tendenz steigend. Viele Hochschulen entwickeln jetzt - auch mit finanzieller Unterstützung des DAAD - Modellprojekte für bessere Integration in den Lehrbetrieb und ins akademische Leben.
Polemik ist Teil des Problems: "Erwünschte", da hoch qualifizierte Zuwanderer gegen niedrig qualifizierte Migranten auszuspielen ist dagegen nicht nur sinnlos, sondern auch kontraproduktiv: Beiden - den Neuankömmlingen wie den seit Jahrzehnten bei uns lebenden Mitbürgern - muss ein besseres Integrationsangebot gemacht werden. In Deutschland lebende Migranten sind selbst ein großes und bislang kaum ausgeschöpftes Talentreservoir.
Die polemische Abqualifizierung von hier lebenden Ausländern als intellektuell minderbemittelt und mit Neigung zur "prekären Mutterschaft" leistet Verhärtung, Abschottung oder sogar ausländerfeindlichen Ausfällen Vorschub und entmutigt potenzielle Einwanderer. Solche Polemik wird daher das Problem zögerlichen Zuzugs nach Deutschland nicht nur nicht lösen, sie ist ein Teil des Problems.
Den vollstaendigen Artikel unbedingt im Financial Times lesen.
0 comments:
Post a Comment