Wednesday 9 June 2010

Lamya Kaddor gruendet neuen Islam-Veband

Eine grosse Anzahl von Muslimen in Deutschland fuehlt sich durch die Islamkonferenz nicht adaequat vertreten. Auf der einen Seite gibt es die konservativen Verbaende, die ca. 20 % der Muslime in Deutschland vertreten, auf der anderen Seite die selbsternannten 'liberalen', saekulaeren 'Muslime' wie Necla Kelek, die einen Islam vertreten, der lt. Meinung ihrer Kritiker nicht mehr viel mit dem Islam zu tun hat. 

Es war schon seit langem im Gespraech, dass die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor (Autorin des Buches Muslimisch, weiblich, deutsch) einen eigenen islamischen Verein gruenden wird, der sich sowohl von den konservativen Verbaenden, als auch von den selbsernannten 'liberalen Muslimen' wie Necla Kelek abgrenzt. Dies ist nun mit dem Liberal-Islamischer Bund (LIB) geschehen. In der Pressemitteiliung heisst es:
Im Frühjahr 2010 hat sich der Liberal-islamischer Bund e.V. gegründet und wurde am 27. Mai ins Vereinsregister Köln eingetragen.

Als Repräsentant muslimischer Bürgerinnen und Bürger sieht sich der LIB in der Verantwortung, die mehrheitlich liberalen Positionen des in Europa vorherrschenden Islamverständnisses zu vertreten.

Der LIB bietet allen Bürgerinnen und Bürgern ein Forum, die sich wertschätzend mit islamischen, interreligiösen und gesellschaftlichen Fragestellungen auseinandersetzen wollen. Er ist offen für einander widersprechende Blickwinkel im Sinne eines lernenden Selbstverständnisses zum Nutzen und zur Ermöglichung des gemeinsamen Erkenntnisgewinns.

Der LIB vertritt ein pluralistisches Gesellschaftsbild und bekennt sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Dementsprechend lehnt der LIB jegliche Form von rassistischer, u.a. antisemitischer, antichristlicher oder antiislamischer Auffassung ab.

Der LIB tritt darüber hinaus unter anderem konkret ein für 
  • eine "dogmafreie" Auslegung religiöser Schriften wie dem Koran auch unter Einbeziehung historischer und sozialer Kontexte
  • die umfassende Geschlechtergerechtigkeit, sowie deren pädagogische und theologische Umsetzung
  • die Einführung eines flächendeckenden islamischen Religionsunterrichts in deutscher Sprache an öffentlichen Schulen

Mit der Gründung eines Bundes für die in Deutschland lebenden Musliminnen und Muslime ist der LIB e.V. Ansprechpartner und Ratgebender für Vertreter aus
  • öffentlichen Institutionen bzw. Verbänden
  • theologischen Gemeinden
  • politischen Gremien und Verwaltungen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene
  • schulischen, universitären und anderen Bildungseinrichtungen und der
  • Wirtschaft

Ansprechpartnerin: Lamya Kaddor (kaddor@lib-ev.de)
Ich finde, dass das Wort 'Liberal' im Vereinsnamen ungluecklich gewaehlt ist, und unter den Muslimen in Deutschland eine Diskussion ausloesen wird, was Liberal eigentlich in Bezug auf ihre Religion bedeutet. Viele verbinden damit immer noch Necla Kelek's Sichtweise, die mit ihren diffammierenden Pamphleten ueber den Islam und die Muslime in den letzten Jahren die Medienlandschaft beherrschte (Als Randbemerkung sei erwaehnt, dass Necla Kelek Mitglied des ebenfalls neu gegruendeten Vereins Demokratisch-Europaeischer Muslime (VDEM) ist. Ihre Mitgliedschaft wird viele liberale Muslime davor abschrecken, im VDEM ein Mitglied werden zu wollen).

Grundsaetzlich ist es positiv zu bewerten, dass Lamya's Verein den wirklich liberalen Muslimen eine Stimme gibt und dass sich die Muslime immer mehr am oeffentlichen Leben beteiligen, und ihre Rechte mit Gruendungen von Interessenverbaenden durchsetzen wolllen. Ich wuensche Lamya und ihrem Verein dabei viel Glueck!

2 comments:

kornpicker said...

Grundsätzlich teile ich deine Sicht. Bezüglich des Begriffes "liberal" habe ich ebenfalls bereits meine Bedenken geäußert. Ich denke allerdings nicht, dass die meisten Muslime damit Necla Kelek assoziieren, sondern eher eine Einstellung, die man einerseits mit "Permissivität" und andererseits mit "Beliebigkeit" umschreiben kann. Vielleicht wird damit auch eine besimmte politische Partei in Verbindung gebracht. Auch wenn auf der Internetseite des Vereins explizit darauf hingewiesen wird, dass mit Liberalität gerade nicht Beliebigkeit gemeint ist, ist es zu spät, wenn potentielle Mitglieder aufgrund der abschreckenden Wirkung des Begriffes erst gar nicht zu der entsprechenden Bedeutungserklärung finden.

Eine substantielle Befürchtung sehe ich darüber hinaus darin, dass bisher gar nicht feststeht, in welcher Art und Weise Ijtihad durchgeführt werden soll. Der Ijtihad - das ist eine unabhängige Interpretation von Koran und Sunna zur Rechtsfindung - ist eins der Ziele, die sich der Verein auf die Fahne geschrieben hat. Allerdings benötigt er ein konsistentes theologisches Konzept, welches auch noch mit den Zielen des Vereins korrespondieren muss. Ein entsprechendes Konzept mit einer liberalen Auslegung der beiden islamischen Primärquellen in einem soziokulturellen Kontext gibt es meines Wissens bisher nicht, jedenfalls keins, das in größeren Teilen der islamischen Welt Akzeptanz findet. Die Entwicklung eines solchen Konzepts und einer daran anknüpfenden Exegese erfordert nicht nur einen ganzen Berg Arbeit, sondern gleich ein ganz ausgewachsenes Gebirge an Arbeit.

Vielleicht sind die Macher des Vereins etwas blauäugig an die Sache herangegangen, vielleicht wächst der Verein ja auch mit seinen Aufgaben. Ich wünsche ihm auf jeden Fall allen erdenklichen Erfolg, und die Hoffnung darauf ist jedenfalls viel größer als bei der Totgeburt VDEM.

Dybth said...

Danke fuer deinen guten Beitrag. Ich habe es wahrscheinlich ein bissl ueberspitzt, als ich Necla Kelek im gleichen Atemzug mit Lamya's neuen Verein erwaehnt habe. Ich hatte nicht die Absicht, Necla Kelek in die Naehe von Lamya Kaddor zu ruecken. Ganz im Gegenteil, ich hatte gehofft, dass ich die beiden Damen abgrenze und die Menschen verstehen, dass Liberal NICHT Necla Kelek bedeutet.

Aber bei der Diskussion der letzten Jahre um den Islam hab ich trotzdem die Befuerchtung, dass sehr viele Muslime abschalten werden, sobald sie das Wort Liberal hoeren. Es wurde seitens der Medien leider sehr oft von den liberalen, saekulaeren, guten 'Musliminnen' wie Necla Kelek berichtet. Man hat ja den Leuten fast das Gefuehl gegeben, dass diejenigen Muslime, die in die Moschee zum beten gehen, radikale Islamisten sind, die nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.


Deine folgende Aussage widerspiegelt genau, was ich im Sinn hatte:

"Auch wenn auf der Internetseite des Vereins explizit darauf hingewiesen wird, dass mit Liberalität gerade nicht Beliebigkeit gemeint ist, ist es zu spät, wenn potentielle Mitglieder aufgrund der abschreckenden Wirkung des Begriffes erst gar nicht zu der entsprechenden Bedeutungserklärung finden."