Bundespraesident Horst Koehler auessert sich in dem Interview des Rheinischen Merkur (RM) u.a. ueber die Kirche, Islam & die Burka. Hier ist ein Auszug:
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RM: Das Verhältnis des Staates zu den Kirchen ist bei uns vor allem von den christlichen Kirchen bestimmt. Wie gehen wir in der Immigrationsgesellschaft, auf die wir zulaufen, von Staats wegen mit den anderen Religionen um?
Köhler: Ich will vorweg betonen, dass dieses Aufeinandertreffen der Religionen für mich etwas grundsätzlich Hoffnungsvolles ist. Unsere Verfassung formuliert eine Neutralität gegenüber den verschiedenen Glaubensrichtungen, und zwar eine wohlwollende. Das Grundgesetz bezieht also auch den Islam mit ein, will ich damit sagen. Unsere muslimischen Mitbürger haben deshalb das Recht und die Freiheit, ihren Glauben zu leben. Aber diese offene Gesellschaft bedingt, dass sich keiner isoliert oder gar fundamentalistisch gegen die Mehrheitsgesellschaft wendet. Das heißt auch, dass Zuwanderer die Gesetze, aber auch die Verhaltensweisen unseres Kulturkreises respektieren. Dann ist es für mich auch selbstverständlich, dass der Staat zum Beispiel islamischen Religionsunterricht in deutscher Sprache möglich macht.
RM: Kommt eine Zusammenarbeit zwischen Staat und Religionen nur mit den Religionen infrage, die auch demokratiegeneigt sind, die Gleichberechtigung akzeptieren? Was ist mit dem Islam?
Köhler: Ich kenne den Islam als im Kern friedliche Religion, die in sich ruht, ihre eigene Berechtigung und Geschichte hat. Respekt muss uns leiten, wenn wir über den Islam diskutieren. Aber wir dürfen unsere Erwartung dennoch entschieden formulieren: Sie lautet, dass sich die Religion des Islam von fundamentalistischen Gewaltpropheten und Gewalttätern strikt abgrenzt, ihnen klar entgegentreten muss und sich in unsere Rechtsstaatlichkeit einordnet. Für Zwangsverheiratungen und sogenannte Ehrenmorde ist in unserer Gesellschaft kein Platz.
RM: Das Verhältnis von Staat zuReligionen wird ja auch immer zeichenhaft diskutiert. Da kann sich eine CDU-Landesministerin vorstellen, die Kreuze aus den Schulklassen zu nehmen, woanders macht sich die Debatte am Verbot von Burka oder Kopftüchern fest. Haben Sie da eine Position?
Köhler: Ich rate uns zu pragmatischen Lösungen. Auf der einen Seite kennen wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das im Kern besagt, dass niemand im Klassenzimmer „unter dem Kreuz“ lernen muss. In der Praxis stören sich aber wenige daran, wenn in unseren Schulen Kreuze hängen. Darüber bin ich persönlich froh.
RM: Und das Verbot der Burka?
Köhler: Sich mit offenem Gesicht gegenüberzutreten, entspricht unserer aufgeklärten, freien Gesellschaft. Die Burka widerspricht meinem Verständnis von der Gleichberechtigung der Frau und ihrer Entscheidungsfreiheit. Aber ich rate auch hier dazu, diese Diskussion nicht ideologisch zu führen, sondern aufzuklären, Gespräche zu führen und vor allem Begegnungen zwischen Muslimen und Christen zu ermöglichen. Wenn einige Frauen in Deutschland dennoch die Burka tragen wollen, so sehe ich darin noch keinen Grund, nach einem Burka-Verbot zu rufen.
RM: Beim Ökumenischen Kirchentag treffen sich Gläubige aller Religionen, debattieren miteinander, feiern miteinander Gottesdienste. Welchen Unterschied macht es für einen Staat, ob Religionen in dieser Weise miteinander reden – oder sich gegeneinander abgrenzen?
Köhler: Solche Begegnungen halte ich für sehr wichtig, ja friedensstiftend in einer Welt, die immer unterschiedliche Kulturen und Religionen kennen wird. Nicht nur wegen des selbstbewussten Auftretens des Islam, nicht nur wegen der innerkirchlichen Krise der katholischen Kirche, nicht nur wegen der gemeinsam erlebten und erlittenen Probleme unserer Gesellschaft ist es aber auch an der Zeit, dass sich die christlichen Konfessionen noch stärker auf die grundlegenden Gemeinsamkeiten besinnen – auf das Glaubensbekenntnis, die Bergpredigt und die Nächstenliebe. Darauf kommt es an.
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