Monday 17 May 2010

Die Teilnehmerinnen der Islamkonferenz (2)

In Die Zeit fuehren Joerg Lau und Martin Spiewak ein Gespraech mit den drei selbstbewussten Musliminnen Armina Omerika, Hamideh Mohagheghi und Sineb El Masrar (von links), die bei der Deutschen Islam Konferenz dabei sein werden. Hier sind einige der Kernaussagen der 3 Damen:
Sineb el Masrar: Für eine Muslimin, die wie ich kein Kopftuch trägt, ist es auf den ersten Blick nicht schwierig. Allerdings kommt immer wieder der Punkt, wo man merkt, dass man anders ist. Für viele beginnt das in der Schule, wo man als muslimische Schülerin mit der Erwartung konfrontiert wird, dass man nicht für das Gymnasium, sondern nur für die Hauptschule geeignet sei. [...]
Armina Omerika: Die erste Wahrnehmung, dass mit dem Islam irgendetwas scheinbar nicht stimmt, machte ich, als ich 1991 aus Bosnien-Herzegowina nach Deutschland kam. Da wurde ich in der Schule gefragt, ob ich bereits versprochen sei. Ich habe die Frage gar nicht verstanden, weil ich vom Konzept der arrangierten Ehen noch niemals gehört hatte.
Sineb El Masrar: Unter den Gastarbeitern aus der Türkei, Marokko oder Tunesien gab es viele Eltern mit sehr geringer Bildung. Sie waren vielleicht ein paar Jahre im Koranunterricht gewesen und drei, vier Jahre in der Grundschule. Was sie uns als muslimisch weitergegeben haben, war sehr traditionell und durfte nie infrage gestellt werden, denn Antworten hatten sie selber keine. Als ich sechs war, saß ich vor meiner betenden Mutter, starrte sie an und sagte: Ist das nicht anstrengend, fünfmal am Tag Beten? Wenn wir Christen wären, wäre es doch viel einfacher. [...] Diese Eltern waren überfordert, den Islam zu erklären, den sie lebten. In diese Lücke stoßen heute sehr konservative Prediger, die den Islam so interpretieren, dass die jungen Leute etwas damit anfangen können. Sie sprechen dieselbe Sprache, nämlich Deutsch und geben den jungen Menschen die Antworten, die sie suchen.
Omerika: Ich definiere mich nicht in erster Linie über meine Religion, dennoch bin ich Muslimin. Weil ich in Bosnien aufgewachsen bin, wo der Islam seit Jahrhunderten zur Alltagskultur gehört – in der Musik, in der Literatur, in den Wertevorstellungen meiner Familie. Das prägt mich bis heute.
Mohagheghi: Ich mag das Etikett Feminismus nicht. Aber Frauen gehen meist furchtloser an die Quellen unseres Glaubens heran. Bezogen auf den Koran, stellen sie die Frage nach dem historischen Kontext, gerade wenn es um Verse geht, die Aussagen über die Rechte der Frauen machen. Sie fragen, ob sie in ihrem äußeren Wortlaut für alle Zeiten gültig sind oder ob sie eine Botschaft haben, die über den äußeren Sinn hinausgeht. Ich habe das Gefühl, dass Männer bei solchen Fragestellungen vorsichtiger sind, weil sie fürchten, dass der Koran als Wort Gottes relativiert wird.[...]
Mohagheghi: Es ist eine sehr deutsche Idee, dass es überall Vereine geben muss. Langfristig muss es doch darum gehen, dass ein Muslim sich nicht in erster Linie oder ausschließlich muslimisch definieren muss, um wahrgenommen zu werden. Wir müssen es schaffen, dass der Islam nicht mehr als etwas Besonderes betrachtet wird. Wer in die Moschee geht und fastet, kann dennoch säkular sein. Dass es hierzulande islamische Akteure gibt, die nicht auf religiöser Basis organisiert sind, ist ein Zeichen dafür, dass der Islam auf einem guten Weg ist, sich in eine säkulare Gesellschaft zu integrieren. Das ist auch die Stärke der Zusammensetzung der Islamkonferenz: Nach langer Suche nach der Telefonnummer des Islams in Deutschland hat man eingesehen, dass es ein ganzes Telefonbuch gibt.
Sineb EL Masra: Man hat als Muslim das Gefühl, unter Dauerbeobachtung zu stehen. Dabei schenkt man den Dingen Aufmerksamkeit, die in unseren Communitys nicht gut laufen. Wo Integration gelingt, registriert kaum einer. Das führt bei vielen Muslimen zum Eindruck, man sei eben nicht erwünscht. Oft schaukelt sich das hoch: Wenn einige Muslime bei Missständen erst einmal abwehren, führt das dazu, dass die Medien es umso mehr aufgreifen. Dabei hat es auch damit zu tun, dass man sich nicht ständig von außen sagen lassen will, was man zu ändern hat. Am Ende bleibt auf der muslimischen Seite das Gefühl: Die haben ein Problem mit uns.
Sineb El Masra: Die Konflikte um den Moscheebau. Wenn eine Gemeinde aus dem Hinterhof raus und eine schöne große Moschee bauen will, mobilisieren sich Bürger, um gegen eine drohende Islamisierung zu protestieren. Dass es sich hierbei um dieselben Muslime handelt, die seit Jahren in der Hinterhofmoschee beten, die ihre Nachbarn und Mitbürger sind, scheinen sie vergessen zu haben.
Mohagheghi: Ich habe ein Problem mit der Unterstellung genereller Islamophobie. Es gibt zwar in dieser Gesellschaft eine gewisse Angst vor Fremden, und die Medien haben daran eine Mitschuld. Wenn ich im Fernsehen immer wieder Terroristen sehe, die Muslime sind, habe ich natürlich irgendwann vor meinem Nachbarn, der Muslim ist, Angst. Aber Muslime müssen auch selbst etwas dafür tun, dass das Bild besser wird. Wir müssen selber aktiv werden und dürfen keine Angst davor haben, uns zu zeigen. Ich scheue mich nicht, mit meinem Kopftuch ins Theater oder in die Oper zu gehen. Da schauen mich die Leute erst groß an, aber nach einer Weile werde ich entweder toleriert oder ignoriert. In gewisser Weise gehöre ich einfach dazu.
Omerika: Nein, auch die Muslime müssen verstehen, was eine säkulare Gesellschaft bedeutet. Eine säkulare Gesellschaft ist keine kopftuchlose Gesellschaft. Und sie ist weder eine christliche noch eine gottlose Gesellschaft. Es muss den Muslimen vermittelt werden, dass eine säkulare Gesellschaft nicht islamfeindlich ist, sondern dem Islam eine große Chance eröffnet.
Das vollstaendige Gespraech koennt ihr hier lesen.

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