Tuesday 6 April 2010

Die Sprache der Integrationsdebatte

Zafer Senocak, von den sogenannten und selbsternannten Islamkritikern normalerweise sehr gelobt, hat einen lesenswerten und differenzierten Artikel mit dem Titel Der Nationalstaat und seine Einwanderer im Tagesspiegel geschrieben. Er schreibt u.a.
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Die Sprache der Integrationsdebatten ist jedenfalls bezeichnend. Sie ist voller Fallstricke, wenn es um Identitätsfragen geht, um Heimat oder Loyalität. So wurde in den Debatten um die doppelte Staatsbürgerschaft immer wieder der Begriff der Loyalität bemüht, der in der wilhelminischen Epoche von konservativen Historikern und Politikern herangezogen wurde, um zu belegen, dass deutsche und jüdische Identität unvereinbar seien: Aus der Sicht des Historikers Heinrich von Treitschke war die Einheit von Staat und Volk in Gefahr. Wer sich heute gegen Doppelidentitäten sperrt, gerät in die Tradition eines nebulösen Staatsverständnisses, der den Weg der Deutschen in die Demokratie lange blockiert hat. Die Oberhoheit über das Angstpotenzial haben diese Begriffe ohnehin: Angst vor Verlust der Identität, vor Fremden, vor Unbekannten. 
Oder die Arbeit der islamischen Verbände in Deutschland: Sie sollte durchaus kritisch betrachtet werden. Wenn Necla Kelek in der „FAZ“ jedoch von „alter Basarmentalität“ schreibt, mit der die Verbände glauben, „in göttlichem Auftrag mit der Regierung über die Zusammensetzung und Tagesordnung der Konferenz schachern“ zu können, werden Assoziationen geweckt, die in einer langen Tradition der Diffamierung und Stigmatisierung stehen. Würde eine Zeitung ähnliche Formulierungen erlauben, wenn es um eine andere Religionsgruppe geht?
Die Einwanderungsdebatte ist emotional aufgeladen. Dennoch haben Empfindungen keinen Platz in den Gesprächsrunden. So kann man sich nur voneinander entfremden. Wenn Deutsche sich der Zugewanderten annehmen wollen, müssen sie sich selbst mehr ins Gespräch bringen, offen und selbstkritisch. Das ist nicht immer eine fröhliche Veranstaltung, sondern auch ein schmerzhafter Prozess. Umgekehrt kann derjenige, der dauerhaft in Deutschland leben und sich in die Gesellschaft eingliedern möchte, nicht umhin, die Geschichte der anderen in den Blick zu nehmen. Dabei kommt es auch auf Empathie an. Es geht weniger um herkömmlichen Geschichtsunterricht, als um einen die Grenzen der eigenen Kultur überschreitenden Erfahrungsaustausch.
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Siehe hierzu auch meinen Artikel Kelek is back, wo ich auf den o.g. unterschwelligen Rassismus von Necla Kelek eingegangen bin. 

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