Monday 19 April 2010

Ist der Hinweis auf den Zusammenhang von Islam und Islamismus, Rassismus?

Es hat fast 2 Monate gedauert, bis Johannes Kandel in die Zeit vom 18.04.2010 auf den Artikel von Caroline Emcke reagiert hat (Ich habe Frau Emcke's Artikel erst gestern hier zur Verfuegung gestellt). Unter dem Titel Glaube und Wahn wirft er der Autorin vor, sich der Angriffsfront gegen »die« Islamkritiker anzuschließen, die sich seit einigen Wochen in den Feuilletons formiert hat.

Welchen Vorwurf sollte man dem Herrn Kandel machen? Dass er sich der Angriffsfront »der« Islamfeinde anschliesst? Oder, dass man die Feuilletons ausschliesslich den Islamkritkern ueberlassen sollte? Hier sind einige Auszuege, und meine Kommentare dazu:
Emcke behauptet, »jeder einzelne Muslim« werde »verantwortlich gemacht für Suren, an die er nicht glaubt, für orthodoxe Dogmatiker, die er nicht kennt, für gewalttätige Terroristen, die er ablehnt, oder für brutale Regime in Ländern, aus denen er selbst geflohen ist. Muslime müssen sich distanzieren von Ahmadineschad in Iran, den Taliban in Afghanistan, von Selbstmordattentätern und Ehrenmördern, und diese Distanzierung glaubt ihnen doch keiner, weil alles gleichgesetzt wird: Islam und Islamismus, Glaube und Wahn, Religiosität und Intoleranz, Individuum und Kollektiv.« 
Ich kenne keinen liberalen Kritiker, der all das von jedem einzelnen Muslim verlangt. Gleichwohl ist es richtig, in der Auseinandersetzung mit extremistischen Varianten des Islams nach Suren zu fragen, auf die sich Islamisten und Dschihadisten beziehen. Es ist richtig, den Einfluss der Extremisten auf die muslimischen Gemeinschaften abzuschätzen. Es ist richtig, den eliminatorischen Antisemitismus des Holocaust-Leugners Ahmadineschad zu verurteilen. Und es wäre sehr hilfreich, wenn Muslime selbst diese Zusammenhänge kritisch diskutierten – was viele erfreulicherweise ja auch tun.
Herr Kandel, googeln Sie doch mal nach den Woertern "Kelek" oder "Broder". Oder ich mach es Ihnen einfacher: Auf meinem Blog, klicken Sie auf das Label "Necla Kelek" auf der rechten Seite. Sie werden dann feststellen, dass diese sog. Kritiker die Schuld allgemein in der Religion suchen. Eine differenzierte Betrachtungsweise sucht man bei diesen sog. Kritikern vergeblich. Sie sehen alles schwarz-weiss. Keine Graustufen.

Vielleicht noch ein krasseres Beispiel: Schauen Sie sich mal die Hetzseite von PI-News an. Ganz oben steht geschrieben: Fuer Grundgesetz und Menschenrechte. Behaupten Kelek & Co. und die Hetzer von PI nicht, fuer die Freiheit und Demokratie einzutreten? Ist Ihnen das nicht 'Liberal' genug?

Besuchen Sie mal Veranstaltungen, wo es um einen Moscheebau geht. Sie werden sich wundern, wie normale, alltaegliche Muslime nach gewissen Suren im Quran von gut organisierten freiheitlichen Gruppen befragt werden. Wie Ihnen unterstellt wird, dass Sie im Namen Ihrer Religion sich verstellen duerfen, die Unwahrheit sagen duerfen.

So wie Hermann Goering sagte "Wer Jude ist, bestimme ich", bestimmen die sog. Islamkritiker, die Sie hier verteidigen, wer Muslim ist. Fuer sie gibt es nur einen Islam, und der bestimmt das Leben in allen Bereichen eines Muslims. Wenn man sich die Pamphlete mancher Islamkritiker durchliest, glaubt man, dass ein Muslim immer den Quran und eine Hadith-Sammlung dabei hat, und immer nachschlaegt, was er in einer bestimmten Situation machen muss. Absurd!

Ich frage mich, ob Sie die gleichen Masstaebe auch bei Anderen setzen: Wuerden Sie von einem Katholiken in Deutschland erwarten, dass er sich fuer einen Priester In Irland verantwortet, der sich an einem Kind vergriffen hat? Ich nehme an: Nein! Warum glauben Sie dann, dass ein Muslim in Deutschland sich von Ahmedinejad distanzieren muss? Warum glauben Sie, dass ein Muslim in Deutschland sich fuer Warlord in Afghanistan rechtfertigen muss? 

Ihre Aussage ist zudem irrefuehrend, widerspruechlich und bedeutungslos. Ich versteh nicht, was Sie damit bezwecken wollen: Sie schreiben einerseits, dass es hilfsreich waere, wenn die Muslime diese Zusammenhaenge kritisch diskutieren wuerden. Dann geben Sie zu, dass viele es erfreulicherweise tun. Es scheint Ihnen allerdings nicht zu reichen. Warum wuerden Sie sonst so eine Aussage treffen?
Leider bleibt aber gerade der in Verbänden organisierte Islam, der »den« Islam in Deutschland zu repräsentieren in Anspruch nimmt, hier sehr blass. Das zeigt beispielsweise der Verlauf des »Gesprächskreises Sicherheit und Islamismus« der Deutschen Islamkonferenz. Nur weil ich hartnäckig gefordert habe, über den Begriff und das Phänomen »Islamismus« zu sprechen, stimmten die muslimischen Verbandsvertreter einer solchen Diskussion schließlich zu [...]

Ich wiederhole mich: Ich will die Verbaende nicht in den Schutz nehmen, aber warum muss ein Verbandsvertreter des Islams in Deutschland sich mit Ihnen ueber den 'Islamismus' unterhalten? Weil einige Terroristen in Afghanistan sich geschworen haben, die westliche Welt zu vernichten? Erwarten Sie nun von dem Verbandsvertreter, dass er Ihnen beweist, dass er ein 'Guter Muslim' ist, damit Sie und die Bevoelkerung ruhig schlafen koennen? 

Wuerden Sie von dem Vorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland erwarten, dass er sich mit Ihnen ueber die Abtreibungbomber in den USA, oder der christlichen Terror-Organisation Lords Resistance Army in Uganda diskutiert? Wuerden Sie Frau Knobloch vom Zentralrat der Juden draengen, sich mit Ihnen mit der Jewish Defense League auseinanderzusetzen?
Emcke behauptet weiter, »…heute gelten dumpfe Vorurteile als ›Angst, die man ernst nehmen muss‹«. Allerdings: Auch hinter »dumpfen Vorurteilen« kann sich Angst verbergen, die man in der Tat ernst nehmen muss. Der Ausgang des Volksentscheids zum Minarett in der Schweiz und die Erfolge von Geert Wilders Bewegung in den Niederlanden zeigen, wohin es führt, wenn solche Ängste nicht ernst genommen werden: Sie finden ein Ventil in rechtskonservativen, rechtspopulistischen Bewegungen.

Herr Kandel, bitte erklaeren Sie mir, warum in den Gegenden, wo es so gut wie keine Muslime gibt, die Ablehnung gegenueber den Muslimen noch groesser ist, als in den Ballungsgebieten, wo die Menschen mit den Muslimen zusammenleben? Das hat auch der Volksentscheid in der Schweiz gezeigt. Sagen Sie mir bitte auch, woher diese Angst kommt? Kann es vielleicht auch damit zusammenhaengen, dass die berufsmaessigen 'Islamkritiker, die Sie hier verteidigen, durch Ihre Pauschalisierungen und Diffamierungen zu dieser Angst beitragen? Die Angst vor dem Muselmann, der schon wieder vor Wien steht, und die Scharia einfuehren will?
Emckes Argumentation verfolgt eine hinlänglich bekannte Strategie der Verharmlosung: Es werde, so die Behauptung, ständig ungerecht auf die Defizite bei Muslimen hingewiesen – Homophobie, Patriarchalismus, Machismo –, aber gezielt übersehen, dass es ähnliche Überzeugungen auch im konservativen Lager gegeben hat oder immer noch gibt.
Wie ist die Stellung der katholischen Kirche zur Homo-Ehe, oder Homosexualitaet im Allgemeinen?
Solche Immunisierungsversuche habe ich schon in zahllosen »Dialogrunden« und Talkshows erlebt und finde sie nur noch ärgerlich. Denn die historische Konstellation etwa der fünfziger und sechziger Jahre in Deutschland ist überhaupt nicht mit den autoritären Regimen in der islamischen Welt zu vergleichen
Sie weichen auf die Islamische Welt aus. Bitte bleiben wir beim Islam und den Muslimen in Deutschland. Nur darum geht es. Sie haben seinerzeit die katholische Kirche in Deutschland mit Sicherheit nicht mit den Bomben der IRA im Nordirland-Konflikt verglichen.
Nein, in der Bundesrepublik sind wir über alle parteipolitischen Lager hinweg in puncto Homosexualität und in der Frauenfrage um Lichtjahre weiter als jene muslimischen Verbände, die hierzulande den Ton angeben und die »Anerkennung« ihres konservativ-orthodoxen bis islamistisch orientierten Islams verlangen – von der islamisch geprägten Welt ganz zu schweigen.
Wirklich? Bitte nennen Sie mir, wieviele katholische Priesterinnen es in Deutschland gibt? Und nochmal: Wie steht die katholische Kirche in Deutschland zu der Homo-Ehe? Nein, Herr Kandel: Die Erzkonservativen der Katholiken, und die Erzkonservativen der islamischen Verbaende sind fast in sync. Aber bei den Katholiken wollen Sie es nicht sehen, und es scheint Sie auch nicht zu stoeren.
Es gibt, da hat Carolin Emcke durchaus recht, natürlich auch nicht muslimische »Formen des Patriarchats und des Machismo«. Der entscheidende Unterschied liegt aber darin, dass die muslimische Variante im Koran und der Tradition (hadithe) eine religiöse Legitimation erfährt. Die Belege dafür sind erdrückend. Doch damit beschäftigt sich die Autorin gar nicht.

Sie leider auch nicht. Es gibt genuegend Passagen in der Bibel, die es legitimieren wuerden, wenn man sie finden will. Selbst im Neuen Testament. Die Belege sind meiner Meinung nach erdrueckender. Suchen Sie mal nach der Rollenverteilung von Mann und Frau, oder die Homosexualitaet. Sie wuerden sich wundern. Dass sich heutzutage so gut wie keiner daran haelt, darueber kann man nur sehr froh sein.
[...]Im Hinblick auf menschenrechtliche Defizite sind alle Religionen gleich. Das aber ist schlicht falsch. Ich kenne zum Beispiel keine Gruppe »evangelikaler Abtreibungsgegner«, die uns mit globalem Terror überzieht.
Herr Kandel, mit Verlaub gesagt: Ihre Aussage ist daemlich. Sie vermischen Aepfel mit Birnen. Das Eine ist die Religion, dass Andere, was Ihre vermeintlichen Anhaenger machen. Sie werden sich sicher noch an die Kreuzzuege erinnern. Ihre Argumente sind auch in der Hinsicht daemlich, weil es dadurch nicht besser wird, dass diese Fanatiker nicht auf der ganzen Welt Abtreibungskliniken bomben. Oder wollen Sie die Opfer gegeneinander aufrechnen? Sollen die Opfer der gebombten Kliniken in den USA sich nun besser fuehlen, weil die Abtreibungsgegner nicht in Deutschland bomben?

Meinen Sie, dass nur die Religion dafuer verantwortlich ist, dass die 'uns' mit globalem Terror ueberziehen? Das waere zu einfach. Wenn das der Fall waere, dann warum erst seit ca. 20-30 Jahren? Und warum hat es sich in den letzten 10-15 Jahren gesteigert? Koennten politische Konflike, wie z.B. der Irak-Krieg, der Tschetschenien Konflikt, die israelisch-palestinaensische Frage dazu beigetragen haben? Warum wurde Rejkjavik, Osaka, Sao Paolo oder Zanzibar nicht mit 'globalem' Terror ueberzogen?

Weder rabiate Hindu-Fundamentalisten noch rechtsextreme jüdische Siedlergruppen verfolgen eine terroristische Agenda, die den islamistischen Dschihad-Strategien vergleichbar wäre
Nur weil der Terror der rabiaten Hindu-Fundamentalisten, oder der rechtsextremen juedischen Siedlergruppen sich nicht gegen Sie und den Westen richtet, heisst es nicht, dass es deren Terror nicht gibt, Bitte klicken Sie hier bezuegl. einer Statistik zu den terroristischer Anschlaegen in den USA von der FBI, und halten Sie sich fuer eine Ueberraschung bereit. 
Und wer den Zusammenhang von Islam und Islamismus deutlich anspricht, wird hierzulande inzwischen als »islamophob« oder gar als »anti-muslimischer Rassist« stigmatisiert.
Wenn ich bedenke, was ich bisher von Ihnen gelesen habe, dann kann ich es sogar fast verstehen. Heuchlerisch, scheinheilig, full of double-standards.
Aber Emcke will auf etwas anderes hinaus: Die Diskussion soll als fremdenfeindlicher Misstrauensdiskurs denunziert werden.

Frau Emcke hat recht. Es geht nicht um Kritik. Kritik an sich ist nichts Schlechtes, und Kritik muss erlaubt sein. Frau Emcke kritisiert allerdings zu Recht jene, die Fremdenfeindlichkeit durch Pauschalisierungen, Diffamierungen und Hetze unter dem Deckmantel der Kritik verbreiten. Leider haben Sie mit Ihrem Pamphlet gerade diese Leute und Ihre Methoden verteidigt.

Islamkritik, Kritik an kulturullen Begebenheiten, wie Ehrenmorde, die ungleiche Behandlung von Mann und Frau gibt es schon lange. Selbst unter den Muslimen. Man tut so, als waer es etwas Neues (siehe z.b. den Film ‘40qm Deutschland’).

3 comments:

Anonymous said...

Nun eigentlich hat Kandel das Thema ziemlich verfehlt.

Emcke schreibt explizit in Abgrenzung zu den Verbänden, Kandel beruft sich aber explizit auf die Verbände.

Da reden zwei ziemlich aneinander vorbei. Da Kandel eine Replik verfasst, hätte er sich den Text von Emcke vielleicht etwas gründlicher durchlesen sollen.

Zudem hat er einen ziemlich blinden Fleck, wenn er behauptet, es seien ausschließlich muslimische Gruppen, von denen als Religionsgruppen Eroberungs- und Gewaltfantasien und Aktionen ausgingen.

zj said...

"Wer Jude ist, bestimme ich"

herman goering hat das nicht gesagt, sondern karl lueger.

Dybth said...

Sie haben Recht. Das Zitat ist urspruenglich von dem Wiener Buergermeister Karl Lueger. Aber ich meine, dass Goering es auch benutzt haette.